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Blockupy: Die Lügen des Innenministers

Freiheitsberaubung und Nötigung bei der Blockupy-Demo: Immer mehr Strafanzeigen gegen das Land Hessen

Von Gitta Düperthal

Der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) habe dem Parlament bei der Anhörung Anfang Juni die Unwahrheit gesagt. Dafür gebe es jetzt konkrete Belege, sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken in Hessen, Janine Wissler, am Freitag bei einem Pressegespräch im Landtag in Wiesbaden: »Ein Minister, der das Parlament belügt, darf nicht im Amt bleiben.« Nach Aussagen vieler Zeugen, die bei der Linken immer noch eingingen, sowie nach der Sichtung von Fotos und Videoaufnahmen, sei klar: »Die Blockupy-Demonstration am 1. Juni ist von der Polizei gezielt und mit massiver Gewalt gegen Hunderte friedliche Teilnehmer gesprengt worden«, so Wissler.

Um die Planung von langer Hand und ohne Anlaß zu belegen, erläuterte sie den Zeitablauf: An jenem Samstagmorgen hätten sich bereits ab 10.30 Uhr acht Polizisten aus Recklinghausen (NRW), Baden-Württemberg und Hessen im Jüdischen Museum Sicht auf die Stelle verschafft, wo Stunden später der Kessel entstehen sollte. Nach Aussage des ehemaligen Frankfurter DGB-Vorsitzenden Dieter Hooge habe die Polizei just an dieser Stelle bereits ab 12.30 Uhr mit 1500 bis 2000 behelmten und mit Pfefferspray ausgerüsteten Beamten Stellung bezogen. Mehr als 500 Bundespolizisten seien im Einsatz gewesen, heißt in der am Freitag bekanntgewordenen Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von der Linke-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke; Rhein mauert, nennt keine Zahlen. Panzerspähwagen und Wasserwerfer seien dort aufgefahren, als die Demo noch gar nicht losgelaufen war, so Wissler. Gegen 12.45 Uhr sei sie überhaupt erst an der Stelle angelangt, an der die Polizei in den Zug stürmte – Rhein hingegen hatte behauptet, der Kessel sei aufgrund eines »Anfangsverdachts auf Straftaten« entstanden. Dies ist, nach Wissler, die erste gravierende Lüge des Innenministers. Auf eine zweite Lüge Rheins verwies der von der Linken zum Pressegespräch eingeladene Augenzeuge, Rechtsanwalt Paulo Dias. Genau wie vier seiner Kollegen war er an diesem Tag über Stunden im Polizeikessel festgehalten worden – Rhein hingegen hatte beharrt: Jeder habe den Kessel nach Leibesvisitation und Feststellen der Personalien verlassen können.

Nicht nur von seiner Anwaltskanzlei werde es mehrere Klagen wegen Freiheitsberaubung und Fehlverhalten der Verantwortlichen geben, so Dias. Auch einer hochschwangeren Frau sei das Verlassen des Kessels verwehrt worden. Der Hannoveraner Anwalt berichtete außerdem empört vom Fall eines am Boden liegenden Manns, zu dem ihn Polizisten nicht durchgelassen hätten. Begründung: Dieser bräuchte keinen Anwalt. Nicht nur durch Polizeiverhalten sei im Kessel ein rechtsfreier Raum entstanden. Das Amtsgericht Frankfurt habe sich über den gesamten Zeitraum der Zwangsmaßnahmen für nicht zuständig erklärt.

Selbst wenn es aufgrund der fehlenden Stimmen der SPD keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuß geben wird, die juristische und politische Auseinandersetzung mit den Rechtsverstößen der Polizei bei der Blockupy-Demo wird weitergehen. So gebe es Beweise dafür, daß Provokateure in die Demo geschleust wurden, berichtet Hans-Christoph Stoodt, Mitglied der Anti-Nazi-Koordination, gegenüber jW. Einem gelben VW-Bus mit Saarbrücker Kennzeichen, der vor dem Frankfurter Schauspiel zu einem Zeitpunkt geparkt worden sei, als die Polizei dort keine Privatwagen mehr durchgelassen habe, seien mehrere ältere Herren mit Kapuzenpullis entstiegen. Dies habe einer der Flughafenausbaugegner, die bei der Demo mitliefen, fotografiert. Das Fahrzeug sei zuvor von Augenzeugen im Konvoi der sächsischen Bereitschaftspolizei mit entfernbaren Blaulicht gesehen worden.

Aus: Junge Welt vom 6 Juli 2013

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