Hans-Joachim Maaz im Gespräch mit Andreas Peglau über die unbewussten Gründe von Partnerschaftskonflikten und mögliche Auswege.
A.P.: Jeder hat den Partner, den er verdient – würden Sie diesen Satz so wie er ist unterstreichen, oder halten Sie ihn doch eher für übertrieben?
Maaz: Das ist für mich schon eine gute Methapher, weil sich da eine tiefe Wahrheit ausdrückt, die in vielen Partnerschaften zum Ausdruck kommt. Bei den Menschen, mit denen ich beruflich zu tun habe, ist das immer so. Dieser Satz hat ja auch etwas Negatives: daß sich Menschen zusammenfinden, die etwas Belastendes, Störendes miteinander austragen – beziehungsweise gerade davon in der Beziehung festgehalten werden.
Dafür gibt es von dem Schweizer Psychotherapeuten Jürg Willi den Begriff KOLLUSION (1): Zwei Partner verbindet eine gemeinsame Grundstörung, die sie aber auf verschiedenen Polen austragen, die wie Schlüssel und Schloß zusammenpassen. Wenn also einer immer führen, dominieren muß, wählt er sich einen Partner, der gerne folgt, wenn einer verehrt werden will, wählt er sich einen Partner, der gerne zu jemandem aufschaut – und so weiter. Dieses Gefühl, zueinanderzupassen wie Topf und Deckel, macht nahezu die Verliebtheit aus, die anfängliche Faszination am Anderen.
Das muß man sich beispielsweise so vorstellen: Bei beiden Partnern wurde das Bedürfnis, so wie man ist, geliebt und anerkannt zu werden, von den Eltern nicht hinreichend befriedigt. Der eine hat nun gelernt, sich Zuwendung zu erarbeiten. Indem er ständig aktiv war, die Eltern unterhalten hat. Der andere dagegen bekam Anerkennung für seine Zurückhaltung, seinen Gehorsam, seine Pflegeleichtigkeit. Wenn sie sich jetzt als erwachsene Menschen begegnen, können sie diese Methoden, sich einen Liebesersatz zu verschaffen, erneut erfolgreich aneinander zur Anwendung bringen. Hätten andernfalls beide gelernt, aktiv sein zu müssen, gerieten sie ständig in Konkurrenz zueinander, statt sich näherzukommen. Wenn aber beide zum Passivsein erzogen wurden, versacken sie höchstens gemeinsam in Langeweile.
Aber eben auch für die „Schlüssel-Schloß-Partner“ ergibt sich nach einiger Zeit – vielleicht erst nach mehreren Jahren – ein Problem: Was sich zunächst so gut ergänzt hat, wird jetzt zur Belastung. Jeder hält den anderen in der einmal fixierten starren Rollenverteilung fest; eine individuelle Entwicklung ist nicht mehr möglich. Da aber menschliche Bedürfnisse immer von polaren Gegensätzen geprägt sind – wir wollen nicht nur führen, sondern auch geführt werden, aktiv und passiv, fleißig und faul sein und so weiter – steckt in einem so einseitig orientierten Menschen immer auch die Sehnsucht, die andere Seite auch noch zu entwickeln. Aber genau damit würde er den Partner in Konflikte bringen und die Grundlage der Partnerschaft gefährden.
A.P.: Reicht diese Erklärung auch aus, um beispielsweise zu verstehen, wenn ein ständig betrunkener Mann seine Frau immer wieder verprügelt und sie ihn trotzdem immer wieder aufnimmt, vielleicht sogar tröstet? Was würden Sie hier als verbindende Gemeinsamkeit ansehen?
Maaz: Die Gemeinsamkeit könnte ihre Sehnsucht sein, verbunden zu sein, in einer Beziehung zu leben – die aber tragischerweise nicht anders, nicht besser gelebt werden kann als durch Helfen- und Retten müssen oder durch Schlimmes-erdulden und Verzeihen-dürfen auf der einen Seite und über Sorgen-bereiten, Hilfsbedürftig- oder Unerträglich-sein auf der anderen Seite. Ich kenne eine Fülle von Beispielen dafür, daß Menschen eine solche tiefe Sehsucht nach Zuwendung haben, daß sie lieber auch Prügel annehmen – das ist wenigstens eine Form von Kontakt – als gar nichts zu bekommen. Also, ehe man völlig alleine ist, hält man lieber an einer Beziehung fest, die wenigstens Streit und Aneinander-Leiden erlaubt.
(…)
A.P.: Läßt sich das bisher Gesagte in etwa auch so auf den Punkt bringen: Zunächst austauschbare Partner treffen aufeinander – fasziniert von der jeweils anderen Störung, die so gut zur eigenen paßt. Entweder sie verharren in dieser Umklammerung – und haben dann eben „den Partner, den sie verdienen“. Oder sie arbeiten miteinander an sich selbst und an ihrer Beziehung und haben dann eben auch – aber diesmal im positiven Sinne – die Partnerschaft, die sie sich verdient, erarbeitet haben. Und dann wären sie ja wohl auch nicht mehr so einfach austauschbar füreinander.
Maaz: Das ist gut zusammengefaßt. Dann wird der Partner zu einer echten Bereicherung: ein Helfer zur Auflösung der alten Verstrickungen, ein Gegenüber als Chance für neue Erfahrungen und Möglichkeiten und ein bezogener Mensch, um sich zu finden und zu verwirklichen – die wichtigste Grundlage für individuelle und gesellschaftliche Gesundheit.
Weiterlesen: http://andreas-peglau-psychoanalyse.de/jeder-hat-den-partner-den-er-verdient/
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