Ein Toter hat kein Problem mit dem Tod. Er ist bereits tot – da ist der Tod kein Problem. Als Lebende steht uns der Tod bevor, irgendwo gleich um die Ecke erwartet er uns. Dieser wartende Tod, dieses unentwegte Abwarten, dass er irgendwo in der Nähe steckt und jederzeit eintreten kann, ist das Problem. Also kämpft der Mensch immerzu gegen ihn an und das ganze Leben wird zu einem bloßen Ringen mit dem Tode. Das ganze Leben wird einfach vertan, einfach vertan mit Vorbeugen, mit Verschanzen – um sich den Tod vom Leibe zu halten.
Wir können nicht lebendig sein, weil der Tod da ist. Wir können nicht leben, wir können nicht authentisch leben, weil uns der Tod nicht gestatten wird zu leben. Wie kann einer leben, wenn der Tod droht? Wenn Du doch sterben wirst, wie kannst Du dann friedlich leben? Wie kannst Du selig leben? Dann ist jeder Schritt im Leben nur ein Schritt auf den Tod zu. Dann ist jede Bewegung eine Bewegung in Richtung Tod, dann ist jede Bewegung eine Bewegung Deines Todes auf Dich zu.
Für die Religion ist der Tod das Problem: Was ist da zu tun? Wir tun alles Mögliche: Mit Hilfe von Reichtum, von Wissenschaft, von Hygiene, von Schutzmaßnahmen, von Medizin, von Philosophie, von Theologie treffen wir alle möglichen Vorkehrungen, wie wir todlos werden können. Wir stellen alles Mögliche auf die Beine, aber alles erweist sich als umsonst, vergeblich, absurd. Der Tod kommt doch, und jede Vorkehrung erweist sich als vergeblich. So ist es seit jeher gewesen und so wird es immer sein, denn der Tod kommt in Wirklichkeit nicht erst in der Zukunft, er kommt auch aus der Vergangenheit.
Sobald einer geboren wird, wird in ihm der Tod mit geboren. Der Tod ist nicht erst in der Zukunft – wäre er nur etwas Zukünftiges, könnte man ihm ausweichen –, sondern er ist Teil der Vergangenheit. Er ist nur ein Teil desjenigen Vorgangs, den wir ‚Geburt‘ nennen. Die Geburt ist der Beginn des Todes – oder man kann auch sagen: Der Tod ist nur ein Ende des Geburtsvorganges. Somit ist Dein Geburts-Tag auch Dein Todes-Tag. Der Anfang ist das Ende, weil jeder Anfang sein Ende in sich enthält. In jedem Anfang steckt sein Ende als Saatkorn. Wäre der Tod nur etwas Zukünftiges, dann ließe er sich umgehen. Lässt er sich aber nicht: Er ist ein Stück von Dir, er ist hier und jetzt – einfach in Dir drin, fortschreitend, wachsend.
Der Tod ist nicht ein festgelegter Punkt irgendwo, sondern ein Gewächs in Deinem Innern. Er wächst fortwährend weiter. Wenn Du ihn bekämpfst, wächst er weiter. Wenn Du ihn nährst, wächst er weiter. Wenn Du vor ihm davonläufst, wächst er weiter. Du kannst tun, was Du willst, Du kannst schlafen, kannst entspannen, kannst arbeiten, kannst nachdenken, kannst meditieren – egal, was Du tust, eines ist gewiss: Der Tod wächst unentwegt, immerzu weiter. Er benötigt nicht Deine Hilfe, er benötigt nicht Deine Kooperation. Deine Verteidigungsmaßnahmen sind ihm gleichgültig – er wächst weiter. Warum? Weil er zugleich mit Deiner Geburt auf die Welt gekommen ist, Teil Deiner Geburt ist. Dem Tod kann man also nicht entrinnen, jedenfalls nicht so, wie der Mensch und der menschliche Geist das immer versucht haben. Diese Upanishaden sagen auch nicht, dass man dem Tod entrinnen könne, wohl aber, dass man todlos werden kann. Du kannst etwas erfahren, das unsterblich ist, das nie sterben wird. Aber wie lässt sich das erfahren? Wo soll man danach suchen, und wie es entdecken? Schließlich haben sich alle uns bekannten Anstrengungen einfach als sinnlos, als belanglos erwiesen!
Diese Upanishaden sagen nun: Kämpfe nicht mit dem Tod. Kümmere Dich lieber darum, lerne besser kennen, was Leben heißt. Man muss mitten in die Flamme des Lebens hineingehen. Führe kein abwehrendes, kein negatives Leben. Versuche nicht länger, dem Tod auszuweichen – so etwas ist negativ. Sei positiv und versuche zu erfahren, was das ist – Leben. In Wirklichkeit ist der Tod nicht das Gegenteil des Lebens. Im Wörterbuch vielleicht, aber nicht in der Existenz. Der Tod ist nicht das Gegenteil des Lebens; der Tod ist das Gegenteil der Geburt.
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Wir müssen uns das Leben wie einen Fluss vorstellen: In diesem Fluss gibt es einen Punkt, der ‚Geburt‘ genannt wird und einen Punkt, der ‚Tod‘ genannt wird, aber der Fluss fließt weiter. Der Fluss geht über den Tod hinaus. Der Fluss ging der Geburt voraus. Dieses flussartige Leben muss zutiefst erkannt werden; erst dann können wir das erkennen, was todlos ist. Selbstverständlich muss etwas, das todlos ist, zwangsläufig auch geburtlos sein … aber unsere gesamte Aufmerksamkeit wird in die Irre geleitet. Unser ganzer Fokus ist darauf gerichtet, wie wir dem Tod entgehen können, und nicht, wie wir das Leben erkennen können. Es gilt: gegen den Tod, nicht für das Leben.
Das ist der einzige Haken, und nur deswegen können wir nie das Todlose kennen lernen. Wir machen immerzu weiter damit, hören nie auf damit, nach neuen Methoden, neuen Techniken, neuen Wegen zu suchen, wie wir dem Tod entrinnen können. Und dann kommt der Tod irgendwann – und der Tod kommt bestimmt. Erkenne, was Leben ist.
Jesus hat gesagt: ‚Sucht nach dem Leben, dem Leben in Hülle und Fülle.‘ Gebt Euch nicht zufrieden mit dem, was ihr unter ‚Leben‘ versteht. Sucht mehr, holt mehr heraus, geht tiefer hinein – macht mehr Leben locker! Uns geht es immer nur um weniger Tod, uns geht es nie um mehr Leben; wie gebannt starren wir immerzu auf den Tod!
Es verhält sich folgendermaßen: Wenn alles dunkel ist, kann man zweierlei tun: Entweder kann man anfangen, die Dunkelheit zu bekämpfen und versuchen sie zu zerstören oder man kann anfangen, nach Licht zu suchen – was eine ganz andere Art der Suche ist. Man kann die Dunkelheit direkt bekämpfen, aber dann wird man unterliegen. Und die Dunkelheit wird siegen – nicht weil sie stärker ist als Du, nicht weil Du machtlos gegen sie bist – nein. Die Dunkelheit hat keine Macht, Du bist nicht machtlos; Dunkelheit ist einfach nur eine Abwesenheit von Licht, und gegen eine Abwesenheit kann man nicht kämpfen.
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Ist das Licht weg, tritt Dunkelheit ein. Geht das Licht an, ist die Dunkelheit weg. Suche also nach Licht, suche nach Leben. Kämpfe nicht gegen den Tod, kämpfe nicht gegen die Dunkelheit. Geh nicht negativ vor, geh positiv vor. Und unter ‚positiv‘ verstehe ich: Suche immer nach etwas Anwesendem, suche nie nach etwas Abwesendem – Du wirst es niemals finden.
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Diese Upanishaden besagen: Kämpft nicht gegen den Tod, sonst kämpft ihr gegen das Abwesende; sucht lieber nach etwas Anwesendem, das in Euch ist. Wer ist in Dir vorhanden? – finde es heraus. Was in Dir ist anwesend, das Du ‚Leben‘ nennst? Was ist das in Dir, das Du ‚Leben‘ nennst? Von woher in Dir kommt es? Was ist der Mittelpunkt, die Quelle davon? Schürfe tief in Dir nach und lege die Quelle frei. Dieser Upanishade zufolge liegt die Quelle im Herzen verborgen. Diese Quelle des Lebens ist im Herzen verborgen. Geh in Dein Herz und finde dort die ursprüngliche Quelle.
Hast Du diese Quelle erst einmal kennen gelernt, dann wird es für Dich keinen Tod mehr geben. Dann wird keine Angst mehr da sein, dann wird kein Problem mehr da sein. Hast Du das Leben selber erst einmal kennen gelernt, bist Du unsterblich geworden.
Aus: Osho: Tod – Der Höhepunkt des Lebens